In den letzten Tagen konnte man so einiges zu Netflix und ab und zu auch zu Netzneutralität lesen. Zuerst ruckelte es bei Cablecom und dann länger bei Swisscom. Das Problem: Die Beliebtheit des Streaming-Anbieters Netflix in der Schweiz führt auch zu deutlich mehr Datenverkehr. Bevor ich anfange, euch die ganze Situation technisch detailliert zu erklären, lest ihr am besten den Blogbeitrag von TuxOne und jenen von Init7 durch. Auf dem ISP-Blog ist ebenfalls ein Beitrag erschienen, der sich gut mit meinem Standpunkt deckt.
Bild: Level3 Heads ISPs Win, Tails You Lose (And a way to fix it)
Die Frage nach der Schuld ist für den Konsumenten irrelevant
Langer Rede kurzer Sinn: Die Inhalteanbieter schieben die Schuld auf die Internetprovider und umgekehrt. Die Swisscom veröffentlichte diese Woche sogar einen Blogpost, in welchem beschrieben wird, weshalb angeblich Netflix schuld an der ganzen Sache sei. Besonders interessant waren diese beiden Absätze:
Quelle: Swisscom Blog
Diese Rechtfertigungsversuche sind meiner Meinung nach einfach lächerlich. Man stelle sich vor, man sie Swisscom-Kunde. Man bezahlt also zum Beispiel vielleicht 129.– CHF für ein Vivo M Kombi-Paket. Oder noch mehr. Nun bezahlt man zusätzlich auch noch ein Netflix-Abo für 15 Franken pro Monat. Da der Service nun populär ist, hält er natürlich die sogenannte «2:1»-Regel nicht mehr ein. Sprich: Der Download ist vermutlich massiv höher als der Upload. Heisst konkret; ab diesem Zeitpunkt verlangt die Swisscom Geld von Netflix, damit der Streamingservice wieder sauber funktioniert. Das hauseigene Swisscom TV wird währenddessen natürlich von der monatlich bezahlten Bandbreite ausgeschlossen und priorisiert. Während also Netflix stockt, läuft bei Swisscom TV alles flüssig. Interessant, oder?
Nun kann man argumentieren, dass das technisch natürlich nicht ganz vergleichbar ist. Man werfe einige Fachbegriffe wie Peering oder Interkontinentale Transitleitungen ins Boot und schon versteht niemand mehr etwas. Das interessiert den Konsumenten nicht. Denn der Witz ist ja, dass ich als Konsument für eine schnelle Leitung bezahle, um gerade Streamingservices wie Netflix in Anspruch nehmen zu können. Ist mein Provider nicht bereit, seine Infrastruktur mit diesem Geld auszubauen oder gar einfache Peering-Verträge einzugehen, dann ist der Zeitpunkt zum wechseln da. Und das ist scheinbar auch passiert, denn sonst wäre die Swisscom nicht zurückgekrebst und hat nun doch eine Lösung mit Netflix gefunden.
Ich selber bin beim Provider easyzone, der seit Ende 2015 von im Besitz von init7 ist und ebenfalls von dieser Firma betrieben wird. Bei mir läuft Netflix flüssig in bester Qualität.
Und jetzt? Was lernen wir aus #netflixgate?
Wir lernen einige Dinge daraus: Zum Beispiel, dass man als Konsument immer noch Macht hat. So viel sogar, dass die Swisscom nach einem kleinen Shitstorm plötzlich doch eine Lösung für seine Kunden findet.
Ein weiterer Punkt: Die Swisscom versucht, ihre Marktmacht auszunutzen, um beim Content-Provider gleich nochmals abzukassieren. Das wird sie vermutlich auch jetzt noch versuchen, wo die Streaming-Probleme vorübergehend gelöst sind. Die Swisscom hat nun eine direkte Peering-Verbindung zu Netflix, anstatt den Umweg über einen Transitpartner zu gehen. Übrigens würde Netflix sogar kostenlos Serverhardware zum Caching zu Verfügung stellen, damit ISPs einen flüssigen Stream anbieten können. Der Internetprovider müsste lediglich die Kosten für den Betrieb (sprich etwas Strom und Einrichtung & Betreuung) übernehmen. Diese zeigen, dass die endgültige Lösung noch nicht gefunden wurde, da «bei grösseren Asymmetrien im Datenverkehr» ein Entgelt fällig wird. Ach, Swisscom. Gut habe ich schon lange gekündigt.
@NoaThurneysen 1/2 Netflix zahlt für die Interkonnektion. Swisscom verzichtet bis zum Verhältnis 2:1 auf ein Entgelt für den Datenverkehr.
— Swisscom AG (@Swisscom_de) March 22, 2016
@NoaThurneysen 2/2 Bei grösseren Asymmetrien im Datenverkehr werden indes Entgelte fällig.
— Swisscom AG (@Swisscom_de) March 22, 2016
Swisscom hat kein Peeringvertrag mit Netflix unterzeichnet. Es ist ein "Handshake" #Peering. So schnell ist kein Legal-Team… #Netflixgate
— Fredy Kuenzler (@kuenzler) March 23, 2016
Was wir aber auch daraus lernen, ist, dass die Swisscom mittlerweile zu viel macht hat. Wie Balthasar Glättli vorschlagt, sollte man die Swisscom aufteilen in Infrastruktur (mit dem Glasfasernetz, Kupferkabel, etc.) und OTT-Services (= Over the top; Internet, Telefonie, Fernsehen, etc. – alles, was übers Internet angeboten wird). Die Infrastruktur muss an komplette Netzneutralität gebunden sein und auch staatliche Beteiligung beinhalten. Die Services sollten hingegen privat betrieben werden, was zu besserem Wettbewerb in der Telekommunikation führen würde.
Netzneutralität – Was?
Ein Wort, das so trocken wie Knäckebrot klingt, aber in Zukunft noch eine bedeutende Rolle einnehmen wird (ich verspreche es euch…). Netzneutralität bedeutet, dass alle Daten im Internet unabhängig ihrer Art und Herkunft gleich (neutral) behandelt werden. Es erfolgt keine Priorisierung, keine Drosselung. Mit diesem Grundgedanken wurde das Internet geschaffen und so sollte es auch bleiben. Ich habe zu diesem Thema vor einem Jahr eine Semesterarbeit geschreiben, die ihr bei Interesse gerne hier nachlesen dürft.
Aber schaut selber – dieser Kurzfilm fasst Netzneutralität gut zusammen:
Wollt ihr also nicht, dass solche Angebote wie im Bild unten von der Digitalen Gesellschaft tatsächlich einmal Realität werden, solltet ihr euch wann immer möglich für ein freies Internet einsetzen. Zum Beispiel gegen diesen Pseudo-Kodex für ein freies Internet, welchen die grossen ISP der Schweiz unterzeichnet haben. Sonst kommt die Swisscom oder ein anderer gewitzter Anbieter bald einmal auf die Idee, ein Internet-Abo mit und ohne flüssiges Netflix-Streaming anzubieten. Und das wollen wir nicht, oder?